Chorleben - S-Chorverband

Entlastung – was ist das?

Im Vereinsleben kennt jeder den Antrag, den Vorstand zu entlasten. Oft wird der Antrag vom Bürgermeister oder dem ältesten Vereinsmitglied gestellt und mit wohlgesetzten Worten des Dankes an den

Vorstand für die geleistete Arbeit verbunden. Meist wird dem Vorstand sodann – einstimmig bei Enthaltung der Vorstandsmitglieder – Entlastung erteilt.Was steckt dahinter? Was hat eine solche Entscheidung für den Verein zu bedeuten? Es lohnt, sich darüber einmal Gedanken zu machen.


Das Wort Entlastung gibt einen ersten Hinweis. Dem Vorstand soll die Last der Verantwortung für die Arbeit und die Entscheidungen im abgelaufenen Geschäftsjahr abgenommen werden. Der Vorstand haftet bekanntlich dem Verein für seine Arbeit, wohingegen nach außen der Verein für seinen Vorstand haftet. Durch die Entlastungsentscheidung gibt die Mitgliederversammlung kund, dass sie mit der Geschäftsführung durch den Vorstand im Wesentlichen einverstanden ist und – wichtig! – deshalb auf Ansprüche gegen den Vorstand verzichtet.
Die Entlastungsentscheidung kann, muss aber nicht einheitlich für den gesamten (meist mehrgliedrigen) Vorstand beschlossen werden; es kommt auch vor, dass ein einzelnes Vorstandsmitglied nicht entlastet wird, wohl aber der übrige Vorstand. Das ist immer dann der Fall, wenn das oder die betroffenen Vorstandsmitglieder nach Auffassung der Mitgliederversammlung ihre Arbeit nicht ordentlich oder gar im Widerspruch zu den Zielsetzungen des Vereins, Recht oder Gesetz gemacht haben.

Zu beachten ist aber: Die Entlastungsentscheidung geht nur so weit, wie der Vorstand oder das betreffende Vorstandsmitglied den Verein über die Vorstandsarbeit im vergangenen Jahr auch vollständig und wahrheitsgemäß unterrichtet haben. Dafür sind der Rechenschaftsbericht und der Kassenbericht da. Verschweigt der Vorstand wesentliche Vorgänge, Tatsachen oder Entscheidungen, erfasst die Entlastungswirkung diese Mitteilungslücken nicht mit der Folge, dass der Ausschluss von Ansprüchen sich auf diese Umstände auch nicht bezieht. Das ist ohne Weiteres einleuchtend; der Vorstand soll auf diese Weise gezwungen werden, seine Mitglieder vollständig und wahrheitsgemäß über das abgelaufene Geschäftsjahr zu unterrichten und auch die maßgeblichen Zahlen und Jahresabschlüsse ungeschminkt vorzulegen und zu erläutern.

In diesem Zusammenhang ist auch die Aufgabe und Funktion der Rechnungsprüfer zu sehen, die in vielen Satzungen geregelt sind: Sie stellen eine Art vereinsinterne Kontrolle stellvertretend für die Mitglieder dar, die sich im Einzelnen mit dem Zahlenwerk des Kassenberichts nicht befassen können oder wollen. Das Vertrauen, dass die Mitgliederversammlung regelmäßig ihren Kassenprüfern entgegen bringt, entspricht deshalb auch der hohen Verantwortung, die die Kassenprüfer gegenüber der Mitgliederversammlung haben.

Die Tagesordnung der Mitgliederversammlung muss den Punkt „Entlastung des Vorstandes“ enthalten; tut sie dies nicht, ist der Entlastungsbeschluss aus formellen Gründen unwirksam und nichtig. Das gleiche gilt für einen Entlastungsbeschluss, den eine Mitgliederversammlung fasst, obwohl er ein pflichtwidriges Verhalten des Vorstandes und einen zweifelsfrei schweren Gesetzes- oder Satzungsverstoß zum Gegenstand hatte.

Wird ein Vorstandsmitglied nicht entlastet, weil erkennbar ist, dass gegen ihn Schadenersatzansprüche bestehen, muss der Vorstand darüber befinden, ob Ansprüche geltend gemacht werden; werden sie pflichtwidrig (etwa gefälligkeitshalber) nicht geltend gemacht, macht sich der Vorstand gegenüber dem Verein unter Umständen selbst schadenersatzpflichtig.

Es kommt vor, dass eine Mitgliederversammlung (in der Regel genügt die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder, was in der jeweiligen Vereinssatzung geregelt ist) dem Vorstand Entlastung nicht erteilt, obwohl es dazu keine objektiven Gründe gibt; nicht selten sind solche Entscheidungen Folge oder Ausdruck von vereinsinternen Querelen oder Machtkämpfen, bei denen die Vorstellung besteht, man könne diese auch über die (Nicht-) Entlastungsentscheidung austragen. Hier ist Vorsicht geboten: Der nicht entlastete Vorstand kann in einem gerichtlichen Verfahren verlangen, dass festgestellt wird, dass dem Verein gegen ihn keine Schadenersatz- und/oder Bereicherungsansprüche zustehen. Früher konnte der Verein sogar auf die Abgabe der Entlastungsentscheidung verklagt werden; dies ist inzwischen – von Ausnahmen abgesehen – nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr möglich. Auf jeden Fall aber setzen sich die Mitglieder eines Vereins, die mehrheitlich eine solche Entlastungsentscheidung ohne berechtigten Grund verweigern, dem Risiko eines gerichtlichen Verfahrens mit der damit verbundenen Kostenfolge zum Nachteil des Vereins aus.

Fazit:
1. Der Vorstand tut gut daran, seine Mitgliederversammlung am Ende eines Geschäftsjahres vollständig und wahrheitsgemäß über seine Arbeit, seine Entscheidungen und – insbesondere – seine finanzielle und wirtschaftliche Vereinsführung zu unterrichten. Das Protokoll der Mitgliederversammlung sollte dabei möglichst genau sein.
2.Die Kassenprüfer sind Augen und Ohren der Vereinsmitglieder bei der Prüfung des Kassenberichts. Diesem Vertrauen entspricht die hohe Verantwortung.
3.Die Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstandes ist keine Spielwiese zur Austragung von Konflikten innerhalb des Vereins.
4.Der Vorstand tut gut daran, bei der Einladung hinsichtlich der Formalien Sorgfalt walten zu lassen, damit der Entlastungsbeschluss der Mitgliederversammlung nicht nichtig oder anfechtbar ist, was sich möglicherweise erst lange nach der Mitgliederversammlung erweist. Denn dann wäre die entlastende, also enthaftende Wirkung des Entlastungsbeschlusses „perdu“.

Verfasser: Christian Heieck, Rechtsanwalt, Kanzlei Eisenmann Wähle Birk, Bopserstraße 17, 70180 Stuttgart, Tel 0711/2382422/3, Fax 0711/2382555, Email stuttgart@ewb-rechtsanwaelte.de

Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtspraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen

Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernom

Johannes Pfeffer, 3. Feb 2009, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.

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