14. Landes-Musik-Festival 2011 in Pfullingen
„Gemeinsames Musizieren ist mehr als Musikausübung“ (Sabine Frömke)
Pfullingen war eine gute Wahl, getroffen vom Deutschen Harmonika Verband (DHV), Ausrichter der Veranstaltung. Zwei Kirchen, zwei Schulen, ein Park, ein Klostergarten und der Marktplatz waren die Auftrittsorte. Die Eröffnungsveranstaltung fand in den Pfullinger Hallen statt, berühmt wegen ihrer Jugendstilmalereien.
Wenig reden, viel musizieren – das war der Wunsch aller Anwesenden bei dieser Feier, bei der die vom Ministerpräsidenten des Landes gestifteten Conradin-Kreutzer-Tafeln (für wenigstens 150 Jahre Bestehen) vergeben wurden. 25 Vereine des Badischen Chorverbands, 10 Vereine des Schwäbischen Chorverbands, und 10 Vereine der Blasmusikverbände erhielten sie.
Die Festrede
In ihrer Festrede als Vertreterin des Landes ging Ministerialdirigentin Sabine Frömke vom Kultusministerium zunächst auf den Namensgeber, den Komponisten Conradin Kreutzer (1780 – 1849) ein und das besonders fruchtbare Jahr 1861, in dem in Baden-Württemberg besonders viele Chöre gegründet wurden. Kreutzer lebte damals schon nicht mehr, aber seine Kompositionen für Männerchor (viele Texte von Ludwig Uhland), vor allem Lieder aus seiner Oper „Das Nachtlager in Granada“ waren die „Hits“, die bei keiner Aufführung fehlen durften.
Sabine Frömke betonte die Bedeutung des Laienmusizierens in Geschichte und Gegenwart: „Gemeinsames Musizieren ist mehr als Musikausübung. Unterschiedliche Menschen kommen zusammen,“ sagte sie, und hob damit auf die integrierende Funktion der Verbandsarbeit ab. Sie lobte das Engagement der Chor- und Orchestervereine im Land bei der Jugendarbeit und forderte weitere Maßnahmen der Vernetzung. Die musisch kulturelle Bildung sei unverzichtbarer Bestandteil der kulturellen Bildung – so ihr Resümee – womit sich die soziale und kulturelle Bedeutung der Laienmusik selbstredend erkläre.
Rund um die Musik
Pfullingens Bürgermeister Rudolf Heß begrüßte alle und jeden, nur die zahlreich anwesenden Repräsentanten der Landesmusikverbände vergaß er, die Präsidenten und Vizepräsidenten, von denen die geschäftsführende Vizepräsidentin des ausrichtenden DHV, Hedy Stark-Fussnegger, sich in der Echazstadt besonders wohl fühlte. Schließlich würde hier auch gute Akkordeonmusik gemacht, was einleitend das Akkordeonorchester des Schwäbischen Albvereins Pfullingen bewies. Auch alle weiteren Ensembles kamen aus der gastgebenden Stadt: Musikverein und Stadtkapelle zum Schluss, der Junge Chor „ffortissimo“ des Liederkranz Pfullingen zwischendurch, und die beiden seit über 100 Jahren musikalisch konkurrierenden Männergesangvereine „Eintracht“ und „Liederkranz“ Pfullingen als Auftakt zur Festrede. So hört man Männerchor gerne, nicht wegen spezieller Stücke, darunter der „Weihemusik“ aus Mozarts „Zauberflöte“. Es waren die stimmliche Qualität, ein sehr würdevoller Auftritt und das Niveau von Eberhard Höngens Interpretation.
Sommer pur und Open Sound
Im Freien sorgte eine best gelaunte Sonne dafür, dass die wohltemperierte St. Wolfgang Kirche und die Getränkestände genügend Zulauf hatten. Das Ambiente für alle Sommerhits zwischen 1911 und 2011 stimmte, die Stimmung auch, Kopfbedeckung, Durst und swingende Rhythmen lieferten Lebensgefühl pur. Also heftig bestrahlt strahlten nur die Chorkids der Singgemeinschaft Sonnenbühl im Klostergarten beim Open-Sound-Festival etwas weniger, denn sie mussten der Sonne standhalten, während Christian Heieck, Vorsitzender der Stiftung Jugendarbeit im Schwäbischen Chorverband, ihrer Jugendleiterin Manuela Heinz den von der Chorjugend des Schwäbischen Chorverbands verliehenen „Goldenen Schlüssel“ für vorbildliche Jugendarbeit überreichte. Bei Wolken und Regenwetter wär´s freilich nicht halb so schön gewesen. Das fanden alle Jungen Chöre, die Kinder, ihre singenden Eltern und alle Zuschauer, die sich an diesem Nachmittag für das schönste Fleckchen in Pfullingen entschieden hatten. OPEN SOUND war das perfekte Festival im (Landes-Musik-) Festival, das für mich keine Fragen hinterlassen hat, nur eine: Wo gibt´s diese leckeren runden Maultaschen?
Abschlussveranstaltung
Kein Wunder, dass alle gerne um 17 Uhr auf den Marktplatz strömten, wo SWR-Fernsehjournalist Markus Brock die Abschlussveranstaltung moderierte, schwungvoll singend und tanzend eingeleitet von Mitgliedern der Chorwerkstatt Neckartenzlingen. Musikalisch ging es noch einmal fetzig über Tasten und Stimmbänder. Die jungen Gewinner der Bühnen-Ralley (eine prima Idee für Kinder) erhielten von Markus Brock ihre Preise.
Als dann die Youngsters des HHC Reutlingen (Hohner Handharmonika und Akkordeon Club) zusammen mit d’achor, dem Jugend-Auswahlchor des Schwäbischen Chorverbands, auf die Bühne stiegen und demonstrierten, welch tolle Verbindung das ist – Chor und Akkordeon – ging ein erfolgreicher Festivaltag (fast) zu Ende. Denn erst einmal übergab der Pfullinger Bürgermeister Rudolf Heß die Schirmherrschaft übers Festival 2012 an seinen Amtskollegen Jürgen Großmann aus Nagold. Im Schlösslepark war noch Oberkrainersound angesagt. Und schließlich – kurz vor Mitternacht – stand Pfullingens Wahrzeichen im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens. Wolfgang Layer
Late Gospel Nigth in der Martinskirche
Dann wurde es ruhig in Pfullingen. Nach dem bunten Treiben am Nachmittag werden von vielen fleißigen Händen die letzten Spuren des Landes-Musik-Fests aufgeräumt und einige letzte Besucher schlenderten gemütlich über den fast leeren Marktplatz. Doch während für viele das Fest für diesen Tag vorbei war, fingen in der Martinskirche die Vorbereitungen für den traditionellen Abschluss des Festivals junger Chöre gerade erst an.
Late-Gospel-Night, das steht bei Freunden der Chormusik nicht nur für die Darbietung von hochkarätigen Chören, sondern vor allem für ein Erlebnis der ganz besonderen Art.
Polierte altehrwürdige Holzbänke und eine gedämmte Beleuchtung in Verbindung mit voll besetzten Bänken, auf denen erwartungsvoll hin und her gerutscht und leise sich unterhalten wird. Kaum ein Platz sollte an diesem Abend unbesetzt bleiben, denn schon das kraftvolle Einsingen der Gospelchöre „Dream & Harmonie“ und die „Rhythmicals“ lockte die ersten Zuhörer von der Straße direkt in die Kirche.
Andreas Schulz vom Schwäbischen Chorverband freute sich in seiner Begrüßung nicht nur darüber, dass mit „Dream & Harmonie“ und den „Rhythmicals“ so ausgezeichnete Chöre verpflichtet werden könnten, sondern auch darüber, dass sich so viele Zuhörer zu so später Stunde eingefunden hatten. Um 23 Uhr konnte das Konzert unter lautem Applaus beginnen.
Den Anfang an diesem Abend machte der Ertinger Chor „Dream & Harmonie“ unter der Leitung von Regine Wiedergrün. Schwarze Kleidung mit leuchtend gelben Tüchern und Krawatten. Kleine Choreographien oder ein Schnippsen des Taktes, die das Publikum immer wieder zum Mitmachen einluden. Gospel, das ist Hingabe und Leidenschaft an den Gesang, und genau das konnte man während er gesamten Darbietung sowohl bei den Sängerinnen und Sängern , als auch dem Publikum nicht nur sehen, sondern auch hören. Klassiker wie „Oh when the Saint“ und „Wade in the water“ waren so mitreißend dargebracht, dass es auch im Publikum kein Halten gab. Die Leistung wurde mit begeistertem Mitklatschen in der Kirche belohnt. Traditionelle Werke wie „Oh happy day“ und „I sing holy“ rundeten das Programm stimmig ab.
Als zweiter Chor trat Ellen Strauß-Wallisch mit Ihren Rhythmicals auf. Betont dunkel wurde es im Kirchenschiff. Nur der Altarraum wurde noch beleuchtet. Einfühlsam stimmte Chorleiterin Strauß-Wallisch alleine das Lied „Hallelujah, Salvation and Glory“ an, während ihr Chor – mit Kerzen in der Hand – langsam den Mittelgang entlang auf sie zu schritt und Aufstellung nahm. Es war ein Gänsehaut-Moment, als ihr Chor stimmgewaltig den Refrain aufnahm.
Das Programm der „Rhythmicals“ liest sich nicht wie das klassische Programm eines Gospelchores. Ellen Strauß –Wallisch setzt zum einen bei ihren Arrangements auf den Überraschungseffekt, zum anderen ist Gospel-Musik für sie in ganz vielen modernen Liedern schlichtweg enthalten. „auch mal auf das Herz und das Bauchgefühl hören. Listen to your heart“, erklärt sie. Die entscheidende Botschaft versteckt sich in vielen Dingen, nicht nur den offensichtlichsten. Bisweilen muss man nur einfach hinhören. So gehören auch Lieder wie „Man in the mirror“ in ihr Repertoire. „Bei diesem Lied müssen meine Männer ganz viel alleine singen, aber ich hoffe sie bekommen das hin“, scherzt die Chorleiterin gerne mit ihrem Chor. Dass dabei trotzdem nicht alles immer hundert prozentig läuft, hörte man bei dem U“ Klassiker „One“. „Das passiert, wenn sie nicht auf mich hören“, entschuldigte sich Strauß-Wallisch charmant lächelnd beim Publikum. Der Stimmung tat dieser kurze Fauxpas keinen Abbruch. Langsame getragene Stücke fürs Herz, gefolgt von mitreißenden Gospel-Klassikern stürzten die Zuhörer in ein Meer aus Gefühlen.
„Ein Konzert wie dieses sollte nicht mit reden, sondern mit Gesang aufhören“, erklärte Andreas Schulz seine vorgezogene Verabschiedung. Es sei wieder ein besonderer Abend für alle, Zuhörer, wie auch Akteure gewesen. Isabelle Volpert
Archivnutzer_SingenundStimme_Blog, 18. Jul 2011, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.