Hilfe! Wir haben keinen Vorstand mehr
Was passiert, wenn ein Vorstandsmitglied oder der (gesamte) Vorstand zurücktritt und niemand bereit ist, Amt und Verantwortung zu übernehmen?
Um eins gleich vorweg zu nehmen: Die in manchen Satzungen getroffene Regelung, wonach ein Vorstand auch nach seinem Rücktritt solange im Amt bleibt, bis sein Nachfolger gewählt ist, „zieht“ in der Regel nicht. Denn: Unabhängig davon, ob ausreichende Gründe für den Rücktritt bestehen oder erklärt werden, wird der Rücktritt sofort wirksam. Nur in ganz seltenen Fällen der missbräuchlichen Inanspruchnahme des Rücktrittsrechts kann einmal etwas anderes gelten oder, wenn sich der Vorstand und der Verein durch einen Anstellungsvertrag aneinander gebunden haben. Solche Verträge gibt es aber im Bereich des SCV so gut wie nicht.
Es ist auch ein Unterschied, ob in einem mehrgliedrigen Vorstand ein Vorstandsmitglied zurücktritt und der Vorstand im übrigen i. S. v. § 26 BGB handlungsfähig bleibt. Ein mehrgliedriger Vorstand besteht in der Regel aus solchen Vorstandsmitgliedern, die – entweder allein oder gemeinsam mit anderen -vertretungsberechtigt sind, den Verein also nach außen vertreten können, und solchen, die diese Vertretungsbefugnis nach der Satzung nicht haben.
Solange nach dem Rücktritt eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder einer oder jedenfalls die ausreichende Anzahl gemeinsam vertretungsberechtigter Vorstandsmitglieder „übrig bleiben“, ist der Vorstand und damit der Verein noch handlungsfähig.
Und das muss ein zurücktretendes Vorstandsmitglied beachten: Es muss dem Verein die Möglichkeit geben, handlungsfähig zu bleiben. Würde sein Rücktritt dazu führen, dass diese Handlungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, müsste es im Amt bleiben, bis die Handlungsfähigkeit durch Neuwahl sichergestellt ist. Geschieht dies nicht, macht es sich gegenüber dem Verein schadenersatzpflichtig. Die Juristen sagen, er hat „zur Unzeit“ gekündigt.
Oft genug überrascht der Zurücktretende seine Vorstandskollegen mit seinen Rücktritt und sie versuchen dann, ihn zum „Rücktritt vom Rücktritt“ zu überreden, also seine Rücktrittserklärung rückgängig zu machen. Das geht nicht. Ein wirksam, insbesondere gegenüber dem Vorstand oder einem Vorstandsmitglied erklärter Rücktritt hat die sofortige Beendigung der Vorstandseigenschaft zur Folge. Überlegt es sich das zurückgetretene Vorstandsmitglied anders, muss es erneut von einer Mitgliederversammlung gewählt werden. Dieser Umstand wird oft nicht beachtet; er kann ggf. zur Folge haben, dass ein wirksames Vorstandshandeln, etwa beim Abschluss von Verträgen u. ä. nicht vorliegt.
Es ist auch nicht möglich, dass ein Vorstandsmitglied i. S. v. § 26 BGB „kommissarisch“ tätig wird; der Grundsatz der wirksamen Wahl durch die Mitgliederversammlung ist unverzichtbar. Was nicht heißt, dass andere Vorstandspositionen interimsweise besetzt werden können. Beispiel: Der zurückgetretene Kassierer kann nicht ersetzt werden, weil sich niemand als Nachfolger wählen lässt. Der bisherige Kassier war nach der Satzung weder allein noch mit anderen zusammen vertretungsberechtigt i. S. v. § 26 BGB. Der Verein ist also durch andere Vorstandsmitglieder noch wirksam vertreten und handlungsfähig.
In einem solchen Fall bedarf es nicht etwa der Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, sobald ein/e Kandidat/in für das Amt des Kassiers gefunden ist, um ihn/sie wählen zu lassen. Der Vorstand kann den Nachfolger/die Nachfolgerin bis zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung „kooptieren“, also um Mitwirkung in der Vorstandsarbeit bitten, ohne Vorstand zu sein.
Schließlich: Nur in dringenden Fällen bestellt das Amtsgericht auf Antrag eines Beteiligten einen Notvorstand, § 29 BGB. Dort heißt es, dass das Amtsgericht einen Notvorstand bestellt, soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstands fehlen, in dringenden Fällen und bis zur Behebung des Mangels.
Ein Notvorstand kommt also nur in Betracht, wenn nicht mehr genügend Vorstandsmitglieder vorhanden sind, um den Verein nach außen zu vertreten. Wer das ist und wie viele das sein müssen, ergibt sich aus der jeweiligen Satzung. Ist z.B. nur der Erste Vorsitzende alleinvertretungsberechtigt, kann in dringenden Fällen sein Rücktritt (oder seine Abwahl, sein Tod etc.) dazu führen, dass das Amtsgericht zur Wahl eines neuen, vertretungsberechtigten Vorsitzenden einen Notvorstand bestellt. Das aber auch nur, wenn dem Verein oder einem Beteiligten Schaden droht und die verbleibenden Vereinsorgane nicht in der Lage sind, in angemessener Frist das Vorstandsamt wieder zu besetzen.
In der Praxis wird von der Bestellung eines Notvorstandes sehr selten Gebrauch gemacht. Und das ist gut so. Schon gar nicht mischt sich das Amtsgericht durch Bestellung eines Notvorstandes in Auseinandersetzungen im Vorstand ein; es ist auch nicht befugt, einen – beispielsweise für unfähig gehaltenen -Vorstand zu entlassen.
Der Verein tut gut daran, Probleme bei der Besetzung der Vorstandsämter selbst und in kreativer Weise zu lösen. Das kann auch durch entsprechende Satzungsbestimmungen geschehen, die etwa eine größere Zahl in verschiedenen Besetzungen gemeinsam vertretungsberechtigter Vorstandsmitglieder vorsehen. Hierfür hat es gerade in der jüngeren Vergangenheit viele Beispiele gegeben.
Und wenn ein Vorstand vollständig zurücktritt: Nun gut, das gibt es auch. Aber selten. Und dann ist in diesem Verein recht grundlegend „der Wurm drin“, so grundlegend, dass sich möglicherweise keine Hand hebt, um beim Amtsgericht – das ja nicht von sich aus tätig wird – einen Notvorstand zu beantragen.
gez. Heieck, 17.03.2009
Verfasser: Rechtsanwalt Christian Heieck, Eisenmann Wähle Birk Rechtsanwälte, Bopserstraße 17, 70180 Stuttgart, Tel 0711/2382422/3, Fax 0711/2382555: E-Mail: stuttgart@ewb-rechtsanwaelte.de; Internet: www.ewb-rechtsanwaelte.de
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtspraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.
Johannes Pfeffer, 1. Mrz 2009, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.