Der Verein und sein Vermögen, welche Rückstellungen sind zulässig – welche nicht?
Der „Ausgangsfall“:
Bei der Vorlage der Jahresabschlüsse beim Finanzamt tauchen bei den Einnahmen des Vereins erhebliche Zinserträge auf. Das Finanzamt fragt im Rahmen der Prüfung zur Erteilung der Freistellungsbescheinigung nach und stellt fest, dass die Zinsen Erträge eines hohen Bankguthabens des Vereins sind. Dieses hat sich über die Jahre aus Vereinsveranstaltungen und Spenden angesammelt. Man hatte keine großen Ausgaben und auch keine besonderen Pläne, nur das gute Gefühl, auf der Bank ein solides Polster zu haben. Der Vorstand, insbesondere der Schatzmeister, wurde bei jeder Mitgliederversammlung für Umsicht und Sparsamkeit gelobt. Nun kommt das Finanzamt und erklärt, man müsse daran denken, dem Verein die Gemeinnützigkeit abzuerkennen und all die Steuern rückwirkend zu erheben, von denen der Vereins bisher – da gemeinnützig – befreit war.
Ein Fall, der nicht selten vorkommt.
Gemeinnützigkeit heißt – nicht zuletzt – Selbstlosigkeit. Der Gewerbebetreibende zahlt Steuern, weil er mit seinem Betrieb Geld verdient, von dem er mit seiner Familie leben kann. Der Verein stellt sich in den Dienst der Allgemeinheit; seine Arbeit und sein Geld sollen der Erfüllung der Aufgaben dienen, die er nach seiner Satzung übernommen hat. Ein Verein handelt nach dem geltenden Recht nicht selbstlos, wenn er sein Geld hortet, statt es zeitnah und satzungsgemäß zu verwenden. Es ist ihm deshalb grundsätzlich verboten, freie Rücklagen zu bilden. Das ergibt sich aus den §§ 55 und 58 der Abgabenordnung (AO). Allerdings: keine Regel ohne Ausnahme.
1.
Ein Drittel seines Überschusses aus seiner Vermögensverwaltung darf der Verein einer freien Rücklage zuführen. Verwendung und Entwicklung der Rücklage müssen dem Finanzamt – ggf. wiederholt – erläutert werden. Man muss die Rücklage nicht auflösen und kann diese Mittel auch dem Vereinsvermögen zuführen.
2.
Weiter können bis zu 10 % der zeitnah zu verwendenden Mittel in die freie Rücklage eingestellt werden. Das gilt für sonstige Mittel, die beispielsweise aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, einem Zweckbetrieb des Vereins oder freien Zuwendungen stammen.
3.
Gebundene Rücklagen sind solche, die man für konkrete Vorhaben braucht, etwa den Bau oder die Renovierung eines Vereinsheims, die Anschaffung von Podesten für Choraufführungen oder eine große Konzertreise. Hier will der Verein für eine konkrete Maßnahme, die zeitlich schon in etwa (akzeptiert werden i. d. R. 3 bis 5 Jahre) abzuschätzen ist, sein Geld zusammenhalten. Bei Vereinsveranstaltungen ist zu beachten, dass die Erfüllung des Satzungszwecks (bei den Chorvereinigungen des SCV meist die Pflege des Gesangs und des Liedguts) gegenüber der Geselligkeit Vorrang haben muss.
4.
Betriebsmittelrücklage: Löhne, Gehälter, Leasingraten etc., also periodisch wiederkehrende Aufwendungen des Vereins können Gegenstand einer Rücklage sein, wenn diese dafür im Lauf des folgenden Kalenderjahres bestimmungsgemäß verwendet wird.
Es gibt noch einige Rückstellungsmöglichkeiten mehr, die aber bei Chorvereinigungen selten anfallen und deshalb hier unberücksichtigt bleiben können.
Wichtig ist die genaue Dokumentation in der Jahresrechnung, auch die des Rücklagenzwecks und des voraussichtlichen Zeitpunkts des Einsatzes der zurückgestellten Beträge.
Schließlich: keine Rückstellungen sind Mittelzuführungen zum Vereinsvermögen. Die Abgabenordnung erlaubt, Erbschaften dem Vereinsvermögen zurückzuführen, wenn der Erblasser keine besonderen Anweisungen getroffen hat. Auch Spenden, die der Spender ausdrücklich für die Ausstattung mit Vermögen oder zu dessen Erhöhung zugewendet hat, unterliegen nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung.
Die genannten Rückstellungen können nebeneinander gebildet und verwaltet werden. Erledigt sich der Rückstellungszweck oder wird das Geld aus anderen Gründen nicht mehr für diesen benötigt, unterliegt es wieder dem Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung.
Sie sollten auch ihre Satzung kritisch drauf überprüfen, ob die Zwecke, die der Verein verfolgen will, einerseits hinreichend bestimmt, andererseits so offen formuliert sind, dass für die geplanten Maßnahmen ein gewisser Handlungsspielraum verbleibt und nicht bei jeder Gelegenheit eine Satzungsänderung beschlossen werden muss. Immer empfehlenswert ist es, eine Satzungsänderung vor der Mitgliederversammlung mit dem Vereinsregister und dem Finanzamt zu besprechen.
Zu Satzungsänderungen demnächst – bald – mehr. Im übrigen bleibt für das Thema Rückstellungen festzuhalten, dass man auf der sicheren Seite ist, wenn man die oben genannten Grundsätze beachtet und sich in Zweifelsfragen Rat holt. Im Ausgangsfall hatte der Vorstand schließlich beschlossen, verschieden Rücklagen zu bilden, eine davon, um in drei bis fünf Jahren ein Gebäude als Vereinsheim zu kaufen. Er hat seine Gemeinnützigkeit bis heute.
Zur Beantwortung von vereinsrechtlichen Fragen, Hilfestellungen bei Satzungsänderungen, Vorstandsbeschlüssen, dem Umfang mit dem Vereinsregister und anderen, Sie interessierenden, rechtlichen Fragen wenden Sie sich gerne an Herrn Rechtsanwalt Christian Heieck, Kanzlei Rechtsanwälte Eisenmann Wahle Birk, Bopserstraße 17, 70180 Stuttgart, Tel.: 0711 – 2382422/3, Fax 0711 – 238255555, email stuttgart@ewb-rechtsanwaelte.de.
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtspraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.
Johannes Pfeffer, 11. Jul 2008, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.