Ohrenschmeichler im Dreivierteltakt
Der Sängerkranz Leutkirch unter der Leitung von Chordirektorin Anne-Regina Sieber hat am Samstagabend unter dem Motto „Wiener Blut und neuer Wein“ kulinarisch und musikalisch überzeugt. Mit einem solchen Ansturm konnten die Veranstalter nicht rechnen. Bis auf den letzten Platz waren die stilvoll dekorierten Tische besetzt. Konzerte des Sängerkranzes sind immer etwas ganz Besonderes. Die Stunden vergingen wie im Flug. Voll ins Schwarze hat der Sängerkranz dabei getroffen. Nicht nur die ansprechende Dekoration, auch die musikalischen Leckerbissen trugen zu dieser typisch wienerischen Stimmung bei. Auf viel Abwechslung achtete dabei die Dirigentin bei der Programmauswahl.
Die chorischen Beiträge, von der begeisterten Sängerschar nicht nur vorgetragen, sondern quasi zelebriert, hatten eines gemeinsam: Eine unbändige Freude am Singen auf hohem Niveau. Dabei ist zu erwähnen, dass es dabei beileibe nicht um leichte Muße ging. Ihr ganzes Repertoire an gesanglichen Fähigkeiten mussten die Sänger und Sängerinnen punktgenau abrufen. Viel Text in hoher Geschwindigkeit galt es zu meistern, und dabei noch locker herüberzukommen, das gelang dem Chor auf beeindruckende Art und Weise. Ob es weinselige Lieder im Dreivierteltakt waren („Wiener Blut“ oder „G´schichten aus dem Wienerwald“) oder rasante Polkas („Schnellpolka“ von Johann Strauss), immer war der Chor gefordert und meisterte diese heimelig anmutenden Werke mit Bravour. Mit überzeugender Prägnanz begleitete am Klavier Irene Streis. Die Mimik der Sänger, ihre Konzentration und die auf das Publikum überspringende Freude waren ein Hauptmerkmal dieses gelungenen Vorabends. Der Chorblock am Ende aus der „Fledermaus“ von Johann Strauss bewies die Quicklebendigkeit dieser seit 1835 in Leutkirch bestehenden Chorvereinigung.
Auch die Vorverlegung auf den späten Nachmittag entpuppte sich als ein gelungenes Novum.
In ihrer Tätigkeit als Gesangspädagogin erweist sich Anne-Regina Sieber als ein Glücksgriff für den Chor und darüber hinaus. Das sechsjährige „Heinerle“ (David Martin aus Waltershofen) hatte einen pfundigen und zu Herze gehenden Auftritt, wenn es das Mütterchen Anne-Regina fragt, ob es dies oder jenes bekommen kann, aber immer wieder mit der Antwort abgespeist wird: „Heinerle, das geht doch nit, mir sind halt arm!“
Mit ihren Zitherklängen verschönerte die erst zwölfjährige Lena Scholz aus Isny das erlesene Konzertprogramm. Sie zeigte ihre zarte Musikalität unter anderem mit Stücken wie der „Schafbock-Polka“. Dass sie auch ihre Qualitäten in der Begleitung des Gesamtchores hatte, bewies sie obendrein.
Zwischen den Chorblöcken lockerte der Akkordeonist und Sänger Toni Weber den Abend auf. Diesen echten Wiener Schmäh, den nahm ihm jeder im Saal ab, was sich im munteren Mitsingen zumindest im Refrain ausdrückte.
Georg Häring, ein Eigengewächs des Sängerkranzes, gab den Fiaker. Ein echter Pferdewagen diente ihm dabei als angemessene Kulisse. Sein Lied vom Dackel, diesem Lackel, mit dem er durch die Gegend wackelt, gelang ihm sowohl gesanglich mit zartem Tenortimbre als auch choreografisch.
Die Chorleiterin höchstselbst hatte mehrere herausragende Soloauftritte. Einfach hinreißend, ihr Liedchen „Ein Schwipserl möcht´ ich haben“ oder „Mei Muatterl war a Weanerin“ von Ludwig Gruber. Die unterschiedlichsten Klangmöglichkeiten ihrer Sopranstimme konnten bewundert werden. Auch ihre Komik trug wesentlich zur angenehmen Stimmung bei.
Wenn der Sängerkranz sich ein Projekt vornimmt, dann passt eben alles zusammen. Vom stilechten Auftritt in Dirndln und Tracht bis zum kleinsten Requisit lieferte der Chor nicht nur einen Ohren- sondern auch einen Augenschmaus. Vorsitzende Elfriede Rauscher kann auf die Mitarbeit ihrer Chormitglieder zählen, anders ist eine solch aufwändige Veranstaltung zur Freude der Zuhörer nicht zu stemmen.
von Wolfgang Roth, SZ Leutkirch
Archivnutzer_SingenundStimme_Blog, 29. Okt 2013, gemischte Chöre, Oberschwäbischer Chorverband, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.