Gospels und Spirituals in Hohenhaslach
Wie beim Adventskonzert des Vocalensembles vor über einem Jahr war auch diesmal das heimelige Kirchlein oben auf dem Berg bis auf den letzten Platz mit erwartungsvollen Zuhörern besetzt. Man hatte diesmal die hellen Lichter im Kirchenraum herabgedimmt, was der festlichen Stimmung durchaus zugute kam.
Herr Pfarrer Wanner stellte in seiner Vorrede unter geschickter Einbeziehung der Gospel-Überschriften „Good News“, „Swing Low“ und „I Hear A Voice A’prayin“ die Nöte und Sehnsüchte der schwarzen Sklaven Amerikas in den Kontext zur guten Botschaft von Jesus Christus, welche in all ihren religiösen Gesängen zum Ausdruck kommt.
Schon in den ersten vier Spirituals war begeisternd, mit welcher Intensität der in allen vier Stimmlagen gut disponierte und mit reichlich 40 Sängerinnen und Sängern besetzte Chor diese zum Teil über 150 Jahre alten Gesänge afroamerikanischer Sklaven zu Gehör brachte. Es wurde weitgehend auswendig und sehr konzentriert gesungen. Man spürte die intensive Probenarbeit und konnte beobachten, wie präzise die deutliche Zeichengebung der Dirigentin Michaela Hartmann-Trummer vom Chor umgesetzt wurde. Erwähnt werden soll aber auch die sicher nicht ganz einfache Aneignung der umfangreichen englischen Texte.
Entstanden sind diese Spirituals meist improvisierend im fließenden Übergang von der Predigt zur Musik und aus der rhythmischen Zwiesprache des Predigers mit der Gemeinde (Call and Response). Begleitender Tanz und Trommeln waren von den weißen Sklavenhaltern zumeist verboten worden, so dass nur noch Klatschen und Stampfen zum Gesang übrig blieben. Allerdings fand die religiöse Ekstase stets ihren Ausdruck in Gestik, Mimik, rhythmischen Bewegungen und mitreißender Vitalität, wie man es heute noch bei amerikanischen Gospelchören beobachten kann.
Davon war allerdings bei der Aufführung in Hohenhaslach wenig zu spüren, was ganz einfach der deutschen Chortradition geschuldet ist: es war bei uns Jahrhunderte lang eben nicht opportun, Emotionen beim Chorgesang auch außermusikalisch zum Ausdruck zu bringen. Zudem hat man ja die Noten zu halten.
Im außerordentlich lebendig vorgetragenen Spiritual „I Can Tell The World“ wurde jene Vitalität jedoch musikalisch spürbar in der ausgefeilten Dynamik, in den Call-Response-Einwürfen „Yes, he did“ und in den synkopierten raschen Läufen.
Michaela Hartmann-Trummer gab zwischen den einzelnen Blöcken erläuternde Kommentare zur Musik und ihren Hintergründen, wobei sie besonders auf die Sklaverei, auf die Symbolik des Jordanflusses, auf die „underground railroad“ und auf die Botschaften der Texte einging.
Ein Alleluja in einer afrikanischen Sprache in schlichter Moll-Harmonik mit eindrucksvollen Ostinati und Bordune der Bässe leitete nach einer weiteren Erläuterung der Chorleiterin zu den Gospelgesängen über, die zum Teil von ihr selbst am Keyboard begleitet wurden und zu denen die Zuhörer alsbald den Off-Beat mitklatschten.
Der Frauenchor konnte mit drei weiteren Gospels seine ausgewogene Stimmkultur in allen Lagen unter Beweis stellen, zuerst in einem einfachen Gospel zur Christgeburt, dann in dem anrührend gesungenen „What A Wonderful World“ – bekannt vom Soundtrack aus dem Film „Good Morning Vietnam“ – und schließlich mit dem lebhaft und engagiert musizierten „Oh Happy Day“, welches auf eine Hymne aus dem 16. Jahrhundert zurückgeht.
Die letzten drei Gospels, wieder vom Gesamtchor überzeugend gesungen, waren moderne, dem Zeitgeschmack angeglichene Adaptionen bzw. Sätze mit den üblichen Synkopen und Modernismen. Sie besitzen zwar nicht mehr die ursprüngliche naive Kraft der frühen Stücke, die stets mit wenigen Textzeilen auskamen, berühren aber durch ihre wuchtige und stimmgewaltige zum Teil an der christlichen Popmusik bzw. wie beim letzten Stück „Sing Praise“ am Idiom des Musicals orientierte Tonsprache.
Warmer lang anhaltender Beifall für dieses besondere Konzert und als Zugabe ein mit allen ad hoc einstudierter und herzerfrischend gemeinsam musizierter vierstimmiger Gospel-Kanon.
Archivnutzer_SingenundStimme_Blog, 7. Apr 2013, ARCHIV: Chorverband Enz, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.