„Haftung von Vereinsvorständen“ – und eine erfreuliche Nachricht
Für die ca. 550.000 Vereine in Deutschland sind der 2. Juli und der 18. September 2009 wichtige Landmarken. Zunächst hat der Deutsche Bundestag eine Haftungsbegrenzung für ehrenamtliche Vereins- und Stiftungsvorstände beschlossen, dann hat der Bundesrat diesem Gesetz zugestimmt.
Es besagt im Wesentlichen, dass die Haftung von Vereinsvorständen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird.
Das Gesetz ist am 03.10.2009 in Kraft getreten.
Im praktischen Vereinsleben hörte man in der zurückliegenden Zeit immer mehr und immer deutlicher das Bedenken, für sein Handeln als Vorstand in – unübersehbare – Haftung genommen zu werden. Das hat viele tüchtige Vereinsmitglieder davon abgehalten, Verantwortung im Verein zu übernehmen; das hat auch mach einen in die Agonie getrieben, nachdem keiner die Verantwortung mehr übernehmen wollte.
Freude am und Erfolg im Ehrenamt stellen sich ein, wenn man kundig, aber angstfrei, also mutig, aber nicht gedankenlos seine Arbeit tun kann. Dazu sollte man zunächst in etwa wissen, was bei der Vereinsführung zu beachten, was zu vermeiden ist; dies ist ein überschaubarer Bereich, für den sich ein Vereinsvorstand durch entsprechende Broschüren oder von vielen Verbänden angebotene Fortbildungsveranstaltungen mit relativ wenig Aufwand Kenntnis und Kompetenz aneignen kann.
Es passiert aber selbstverständlich immer wieder einmal etwas. Vereinsvorstände sind auch nur Menschen. Und wie schnell ist der Radfahrer bei Glatteis vor dem Eingang des Vereinsheims gestürzt, wurde ein Förderantrag zu spät abgegeben, hat man beim Hallenmietvertrag die Vertragsstrafe übersehen; es kann einem manches einfallen, was die Haftung des Vorstandes in der Schuldform der einfachen Fahrlässigkeit begründen könnte.
Unwissen macht Angst, macht besorgt und skeptisch bei der Frage, ob man ein Vorstandsamt annehmen soll. Hinzu kommt, dass Haftung und Schadenersatz in unserer Gesellschaft breit diskutierte, in der Medienlandschaft täglich beobachtbare Vorgänge sind: Der Kunstfehler beim Arzt, die Haftung der Bankvorstände für geplatzte Kredite, die Haftung von Bürgermeistern und Kommunalbeamten in Vergabe- und Haushaltsfragen, die Haftung der Rechtsanwälte und Steuerberater für fehlerhafte Beratung oder die Amtshaftung der Behörden für fehlerhafte Baugenehmigungen oder die Verletzung der Verkehrsicherungspflicht.
Dadurch ist auch gerade für die Vereinsarbeit ein Klima entstanden, welches sich auf die Bereitschaft vieler ungünstig auswirkt, im Verein Verantwortung zu übernehmen.
Man arbeitet schließlich ehrenamtlich und meist unentgeltlich als Vereinsvorstand. Da will man nicht auch noch den Kopf hinhalten müssen, wenn einmal etwas schief geht.
Und genau hier setzt die neue gesetzliche Regelung an.
Der neue § 31 a BGB hat folgenden Wortlaut:
Haftung ehrenamtlich und unentgeltlich tätiger Vorstandsmitglieder
[1] Ein Vorstand, der unentgeltlich tätig ist oder für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält, die 500,00 € jährlich nicht übersteigt, haftet dem Verein für einen in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins.“.
Das heißt: Nicht jedes Vorstandsmitglied kommt in den Genuss dieses Haftungsprivilegs.
Voraussetzung ist zunächst die Unentgeltlichkeit. Nun haben schon immer alle Vorstandsmitglieder das Recht, ihre konkreten, nachgewiesenen Auslagen (Porto, Reisekosten etc.) zu verlangen, soweit diese notwendig waren oder für notwendig gehalten durften.
Diese Entschädigung für nachgewiesenen Aufwand ist hier nicht gemeint; sie fällt noch unter den Gesichtspunkt der Unentgeltlichkeit.
Auch wenn ein Vereinsvorstand nicht mehr als 500,00 € pro Jahr von seinem Verein als Ehrenamtspauschale erhält (die er im übrigen nach § 3 Ziff. 26 des Einkommensteuergesetzes auch nicht versteuern muss!), wird er/sie haftungsrechtlich wie ein unentgeltlich tätiges, ehrenamtliches Vorstandsmitglied behandelt und kommt in den Genuss der Haftungserleichterung. Diese Verbesserung für Vereinsvorstände ist im Gesetzgebungsverfahren, genauer: Im Verfahren vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, eingefügt worden.
Darüber hinausgehende Vergütungen für Vorstände, die ohnehin in der Satzung geregelt oder von der Mitgliederversammlung beschlossen werden müssten, lassen das Haftungsprivileg entfallen. Wer mehr für seine Vorstandstätigkeit bekommt, soll auch für einfache Fahrlässigkeit haften. Jedenfalls vom Grundsatz her. Auch in diesen Fällen kann die Satzung – wie bisher auch – eine Haftungsbeschränkung vorsehen.
In der Vergangenheit war allerdings nie sicher und abschließend geklärt, ob solche Haftungsbeschränkungen in der Satzung von der Rechtsprechung akzeptiert werden. Auch diese Rechtsunsicherheit wird mit der gesetzlichen Neuregelung beseitigt.
Unter Vorstand im Sinne von § 31a Abs. 1 BGB dürfte i. Ü. neben dem gesetzlichen Vorstand (§ 26 BGB) jedes Vorstandsmitglied zu verstehen sein, das zur eigenverantwortlichen Erledigung vom Vorstandsaufgaben berufen ist. Damit sind praktisch alle ehrenamtlichen Vereinsvorstände in das Haftungsprivileg eingeschlossen.
Ein Wort zu den Haftungsbeziehungen: Wenn der Vorstand in Ausübung seines Vorstandsamtes (wenn er wie ein Privatmann handelt, haftet er auch wie ein solcher, nämlich nach wie vor unbeschränkt) einen Schaden verursacht, kann dies ein Schaden eines Vereinsmitglieds sein, eines Dritten oder des Vereins selbst. Der Verein beispielsweise durch verspätete Förderantragstellung, das Vereinsmitglied oder ein Dritter beispielsweise dadurch, dass vergessen wird, den Weg zum Vereinsheim zu streuen.
Selbstverständlich kann der Vorstand nicht erwarten, dass auch seine Haftung gegenüber einem Dritten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird, dem er einen Schaden zufügt. Hier haftet er dem Dritten weiterhin unbeschränkt, und das ist auch richtig. Aber: Der Gesetzgeber hat auch hier für eine Entlastung ehrenamtlicher Vorstände gesorgt, in dem er dem Vorstand einen Anspruch darauf zugestand, dass der Verein für ihn diesen Schaden trägt.
Der Gesetzeswortlaut hierzu:
§ 31 a Abs. 2
„Ist der ehrenamtlich und unentgeltlich tätige Vorstand einem anderen zum Ersatz eines in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schadens verpflichtet, so kann er von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.“.
Damit ist der ehrenamtliche Vorstand, der außer nachgewiesenem Aufwendungsersatz und max. 500 € pro Jahr keine Zuwendungen vom Verein erhält, haftungsrechtlich sehr gut gesichert. Es leuchtet ein, dass eine Haftung fortbestehen soll, wenn in der Schuldform von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ein Schaden – bei wem auch immer – herbeigeführt wurde.
Diese gesetzgeberische Entscheidung war – und ist – nicht unumstritten. Die Bundesregierung äußerte Bedenken: Diese Haftungsbeschränkung belaste Vereine und Vereinsmitglieder, die bei Schäden, die das Vorstandsmitglied fahrlässig verursacht hat, leer ausgingen. Schließlich könnte einem Vereinsmitglied ein ganz erheblicher Schaden entstehen (man denke nur an die Querschnittslähmung als Folge eines Glatteissturzes); auch hier soll das Vorstandsmitglied seinem Vereinsmitglied bei einfacher Fahrlässigkeit nicht haften.
Dies gilt – wie gesagt – bei einfacher Fahrlässigkeit. Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz bleibt es bei der Haftung wie bisher.
Der Gesetzgeber hat berücksichtigt, dass die Haftungsbeschränkung des Vorstands gegenüber den Mitgliedern seines Vereins schwere Folgen eines betroffenen Vereinsmitgliedes haben kann, wie das eben genannte Beispiel zeigt. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 40 BGB die Regelung aufgenommen, dass der Wegfall der Haftung für einfache Fahrlässigkeit gegenüber Vereinsmitgliedern durch die Satzung abbedungen werden kann. Davon werden sicher viele Vereine Gebrauch machen, um die eigenen Vereinsmitglieder zu schützen. Auch gerade im Hinblick auf die Versicherbarkeit sind hier noch eine Reihe von offenen Fragen zu klären, über deren Antwort wir berichten werden.
Auch der Verein kann in eine unangemessen ungünstige Situation geraten, wenn er entweder für einen hohen Schaden gerade stehen muss, den der Vorstand in einfacher Fahrlässigkeit (bei einem Dritten) verursacht hat, oder er erleidet einen hohen eigenen Schaden, der auch mit der Folge einer Zahlungsunfähigkeit des Vereins einhergehen kann.
Deshalb favorisierte die Bundesregierung eine „Versicherungslösung“; der Verein solle auf eigene Kosten das Haftungsrisiko des Vorstandes durch eine Versicherung abdecken.
Im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich diese Auffassung nicht durchgesetzt, so dass der Bundesrat am 18.09.2009 dem Gesetz in dieser Form zustimmte.
Der Vorhang zu – und viele Fragen offen. Das Thema Vorstandshaftung hat mit diesem Gesetz sicherlich nicht sein „Aktualitätsende“ gefunden.
Erfreulich ist indessen, dass der Deutsche Bundestag und der Bundesrat noch vor den Bundestagswahlen dieses Gesetzgebungsvorhaben zum Abschluss gebracht hat und auf diese Weise das Ehrenamt des Vorstandes in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung eine gesetzgeberische Würdigung erfahren hat. Ist zu hoffen, dass die Vereine von diesem „Mutmachen“ des Gesetzgebers bald und vollständig Kenntnis erhalten und dadurch ermöglicht wird, dass Vorstandsämter wieder mit Zuversicht und Optimismus übernommen werden.
Verfasser
Rechtsanwalt Christian Heieck, Kanzlei Eisenmann ? Wahle ? Birk, Rechtsanwälte, Bopserstraße 17, 70180 Stuttgart, Telefon 0711/2382422/3, Fax 0711/2382555, Email stuttgart@ewb-rechtsanwaelte.de, www.ewb-rechtsanwaelte.de
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtspraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.
Johannes Pfeffer, 16. Nov 2009, Singen und Stimme, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.