Interview mit Dr. Karl Ermert bei Vocals on Air
„Also zunächst einmal müssen sie die Wirklichkeit sehen.“
Der Arbeitskreis Musik in der Jugend (AMJ) führt derzeit eine umfangreiche Online-Studie unter dem Titel „Chormusikkultur und Migrationsgesellschaft“ durch. Im Rahmen der Themensendung „Chormusik international“ am 10.7 sprach Vocals on Air, das Radiomagazin des Schwäbischen Chorverbandes, mit dem Bundesvorsitzenden des AMJ. Einen Auszug daraus geben wir hier wieder:
Vocals on Air (VoA): Viele Einzelbeobachtungen sprechen dafür, dass in der traditionell organisierte Chorszene Menschen mit Migrationshintergrund, jedenfalls aus außereuropäischen Kulturen, unterrepräsentiert sind, trifft das zu und woran liegt das?
Dr. Karl Ermert: Ja diese Beobachtungen waren der Auslöser für dieses Projekt, was wir mal „Chormusikultur und Migrationsgesellschaft“genannt haben. Und wir wollen da in verschiedenen Schritten, vom Literaturstudium, wie man sowas macht wie man wissenschaftlich rangeht, über Experteninterviews und schließlich diese Umfrage, die im Augenblick noch läuft, herausfinden, was ist das denn: Also ist es wirklich ein Problem, oder ist es eine Chance, wie gehen die Leute, die faktisch damit zu tun haben damit, wie sollten sie damit umgehen. Es gibt ja da viele verschiedene Erfahrungen. Und bevor man da jetzt immer aus dem Bauch weiterredet, wollten wir das ein bisschen genauer ergründen. Da sind wir im Augenblick noch dabei.
Ist es denn eine Herausforderung? Ja, das kann man sagen. Insbesondere im Kinder- und Jugendchorbereich, dahin zielen wir mit unserer Untersuchung, und zwar deshalb, weil natürlich Kinder- und Jugendchöre sind natürlich ständig auf der Rolle, um Nachwuchs zu finden, ja wo finden Sie den – da hat sich die Welt ein bisschen verändert, nicht nur durch die allseits bekannten Umstände von digitaler Konkurrenz, sondern auch weil der demografische Wandel dafür sorgt, dass ein immer größerer Anteil von Kindern und Jugendlichen, vorallen Dingen in Ballungsgebieten und West- und Süddeutschland und vorallen Dingen auch zum Beispiel Baden-Württemberg, der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund steigt. Der nähert sich in diesen Gebieten 30-40 % im Durchschnitt an. Und unsere Erkenntnisse aus den ersten Schritten zeigen, dass das Thema sehr differenziert ist, das ist ja immer so ein Problem, je näher man an die Wirklichkeit kommt, desto differenzierter wird das. Es gibt ja unterschiedliche Hintergründe. Kinder und Jugendliche aus Osteuropa haben ein anderes Verhältnis zur Chormusik als aus dem arabischen Raum. Und aus Westeuropa und aus dem Baltikum nochmals anders. Je weiter wir räumlich aus Europa wegkommen, desto größer ist auch die Distanz zur mitteleuropäischen Musiktradition.
VoA: Welche Aufgaben müssen denn die Chöre jetzt in diesem Bereich leisten?
Ermert: Also zunächst einmal müssen sie die Wirklichkeit sehen. Das ist nicht selbstverständlich, das haben wir bei unseren Recherchen gemerkt. Und interessanterweise, soviel kann man aus der Umfrage schon sagen, aus den Rückläufen bisher, kann man sagen, dass ungefähr 40 % unserer Antwortenden bislang überhaupt keine Kinder mit Migrationshintergrund in ihren Chören haben. Da ist die Frage: Woher kommt das?
Das vollständige Interview gibt es bei Vocals on Air zum Nachhören hier auf der Seite
Johannes Pfeffer, 30. Jul 2015, Chorpraxis, Eltern-Kind-Musik, Frauenchöre, gemischte Chöre, Jugendchöre, Kinderchöre, Männerchöre, Nachwuchsarbeit, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.