Chorleben - S-Chorverband

Erfolgreiche Chorleiterin: Interview mit Birgit Barth

Birgit Barth und der Gesang in Eberhardzell (~ 2300 EW) sind zwei Begriffe die unzertrennlich sind. 27 Jahre lang leitete sie den Kinder- und Jugendchor und hat den Dirigentenstab im letzten Jahr in jüngere Hände gegeben. Ihre Mädels von Le Crescentis und den gemischten Chor vom Lieder-kranz Eberhardzell 1868 e. V. leitet Birgit weiter. Der Humor, ihr unermüdliches Engagement und der Drang Gesang und Sängerinnen und Sänger weiterzubringen sind Garant für den Erfolg. Birgit Barth engagiert sich darüber hinaus in der Verbandschorjugend als Schriftführerin und ist Vertreterin bei der Chorförderung im Landkreis Biberach.

Kinderchoreberhardzell_GerhardRundel1Der Anfang war steinig. Auf eigene Initiative hat Birgit Barth den Vizechorleiterkurs des Oberschwäbischen Chorverbands und im Fortverlauf die Chorleiterschulung des Schwäbischen Chorverbands absolviert, weil sie erkannte, dass sonst der Chorgesang gefährdet ist. Ein älterer Mann sagte zu ihr: „Du und Chorleiter – schaffst Du nie!“. Birgit gab beim Interview an, dass sie diesen Satz nie vergessen wird. Der Erfolg gibt Birgit Recht. Sie ist eine der Hauptinitiatoren, dass Gesang in Eberhardzell cool ist und eine Zukunft hat. Als sie letztes Jahr die Leitung des Kinder- und Jugendchors Eberhardzell nach sage und schreibe 27 Jahren abgab war viel Herzschmerz dabei. Das Lebenswerk von Birgit ist Grund genug für die Verbandschorjugend mit ihr das Interview „Erfolgreiche Chorleiterin“ zu führen.

Verbandschorjugend (VCJ): Hallo Birgit. Freue mich sehr Dich interviewen zu dürfen. Du leitest erfolgreich zwei Chöre und setzt Dich nachhaltig für Kinder- und Jugendarbeit in Vereinen ein. Warum rätst Du Vereinen zur Kinder- und Jugendarbeit?
Birgit: Hallo Andi. Freue mich auf das Interview. Kinder- und Jugendarbeit baut den Vereinen eine Zukunft auf. Es ist höchste Zeit, dass Vereine auf Kinder und Jugendliche setzen. Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche ernst genommen werden, was gut mit einem Mitspracherecht funktioniert. Wichtig ist ein gemeinsamer Plan und Ziele, die kurz- und mittelfristig umgesetzt werden können. Die nächsten Ziele sollten höher gesteckt werden. Mit Kinder- und Jugendarbeit geht es weiter im Verein, wenn auch anders. Klar eine Gewähr gibt es nicht, aber wenn es nicht funktioniert ist etwas schief gelaufen, was nicht an den Kinder und Jugendlichen liegen muss.
VCJ: Du bist kein studierter Chorleiter, aber sehr erfolgreich. Wie schaffst Du das?
Birgit: Singen muss Spaß machen! Chor fordern und nicht überfördern. Die Chorleiterin muss vorangehen und das bezieht sich nicht nur auf die Chorleitung. Von meinen Sängern kann ich nicht mehr verlangen als ich selber leiste. Meine Erfahrung ist, dass zusammen arbeiten, singen und sich gegenseitig helfen sehr positiv auf das Miteinander auswirkt.

VCJ: Birgit in welchem Alter hast Du mit der Chorleitung angefangen und wie siehst Du die Vereinbarkeit von Ehrenamt, Beruf und Familie?
Birgit: Als ich 19 Jahre alt war habe ich den Kinder- und Jugendchor Eberhardzell übernommen. Die Vereinbarkeit ist individuell verschieden. In den 28 Jahren Chorleitung wurde viel ermöglicht, was nur mit persönlichem Engagement gestemmt werden konnte. Habe mich nie lange daran aufgehalten, ob es möglich ist sondern es wurde möglich gemacht.
VCJ: Was zeichnet die Arbeit mit Kinder, Teenies und Jugendlichen besonders aus?
Birgit: Es ist nicht immer leicht, aber machbar. Engagement ist wichtig und junge Menschen danken es. Diese Arbeit macht Spaß und der beste Dank sind freudige Kinderaugen. Nichts Schöneres!
VCJ: Wie ist der Werdegang eines Sängers im fortschreitenden Alter (Kind, Teenie, Jugendlich, Erwachsen)?
Birgit: Die Kinder- und Jugendarbeit schafft den Grundstock. Positive Erfahrungen mit Chorgesang führen dazu, dass der Mensch als Erwachsener beim Chorgesang bleibt oder nach seinem Studium wieder zurückkehrt.
VCJ: Wie bewertest Du die Perspektive der Chöre?
Birgit: Mit viel Arbeit ist Perspektive vorhanden. Über das alt hergebrachte hinaus Denken ist wichtig und hilft beim Aufbau einer Zukunft. Leider verhindern heute die Anforderungen in Beruf und Schule oft ein nachhaltiges Engagement. Z. T. haben Schüler dreimal wöchentlich Mittagsschule und sind am Abend müde. D. h. aber nicht dass die Flinte ins Korn zu werfen ist sondern das man umbauen muss, um allen ein     Le Crescentis: 22 Sänger im Alter von 13 – 30 Jahre
bestmögliches Angebot  zu bieten.

Birgit BarthVCJ: Wie bekommst Du Nachwuchs in die Chöre? Was ist wichtig?
Birgit: Das wichtigste ist sich zu präsentieren. Kinder, Teenies und Jugendliche privat ansprechen und gute Argumente haben. Z. b. akzeptiert der Kicker die Reservebank, wenn er nicht im Training war. Der Sänger kann nicht ohne Training singen.  Ein guter Auftritt führt dazu, dass junge Menschen „wow“ sagen und sich auch vorstellen können beim Chor mitzumachen. Bei einem Musicalprojekt bleiben immer Kinder beim Chor hängen.
VCJ: Wie hat sich die Einstellung zum Singen in jüngster Vergangenheit verändert?
Birgit: Es gibt eine Rangfolge: Fußball, Musik und dann Singen. Da hat sich wenig verändert. Diejenige, welche gerne singen – singen auch und anderen ist Musik und Fußball wichtiger.
VCJ: Was ist für eine gute Chorarbeit unverzichtbar?
Birgit: Spaß und das Miteinander. Die Literaturauswahl ist wichtig und das mache ich zusammen mit meinen Mädels von Le Crescentis. Gemeinsam Feste planen halte ich wichtig für das Miteinander. Der Erfolg eines Chors zeichnet sich auch durch das Miteinander mit der Vorstandschaft aus. Es muss passen. Bei einem Kinderchor muss man über seinen Schatten springen können. Wenn die Kinder sagen, dass das Lied „blöd“ ist dann werden sie das Lied nie toll singen. Bei der Jugend sind eher Kompromisse einzugehen.
VCJ: Was sollten Vereine in der Kinder- und Jugendarbeit vermeiden und was sollten sie unbedingt anbieten?
Birgit: Vermeiden: Das erste Argument darf nie sein, was das kostet. Die Diskussionen über Geldmittel verbauen viel und demotivieren. Bei Kindern ist das Gefühl „Wir sind wichtig!“ unverzichtbar. Unbedingt anbieten: Viel Zeit investieren. Es lohnt sich!!!
VCJ: Die Freizeitangebote und -aktivitäten nehmen zu. Wie können Chöre erfolgreich in dieser Gesellschaft bestehen und was macht sie interessant?
Birgit: Hervorragende Auftritte und Spaß im Miteinander. Chor ist mehr als Singen! Wichtig ist, dass der Chor auch in der Heimatgemeinde aktiv ist und nicht nur auf Reisen geht.

VCJ: Was hältst Du von den Fortbildungen des SCV und OCV?
Birgit: Das was geboten wird ist voll okay. Die Fortbildungen vom SCV sind halt oft mit weiten Wegen verbunden, was oft nicht möglich ist. Das OCV-Angebot ist gut und ausreichend. Der Landkreis Biberach macht viel und es existiert eine Chorförderung.
VCJ: Was macht Dir besonders viel Freude in der Chorarbeit?
Birgit: Singen ist herrlich. Kinder und Jugendliche was beizubringen, was sie wieder zurückgeben. Freudige Kinderaugen sind ein wunderschönes Gefühl. Was ganz wichtig ist, dass Singen über alle Lebenssituationen (Trauer bis sehr freudig) hilft.
VCJ: Wie wichtig ist das Zusammenspiel zw. Vorstandschaft und Chorleiter?
Birgit: Das muss passen. Die Chemie muss stimmen und Vertrauen ist das wichtigste. Ein Gegeneinander ist Gift und schadet allen. Bin froh, dass es bei mir immer gut lief.
VCJ: Warum würdest Du Vereinen raten einen Kinder- und / oder Jugendchor zu gründen?
Birgit: Darin liegt die Zukunft des Vereins. Verein ist ja nicht unsere Generation sondern viele Generationen. Wir machen heute auch viel anders als es unsere Vorgänger machten. Deswegen müssen wir der Jugend die Chance geben etwas anders zu machen. Teilweise war der Kinder- und Jugendchor bekannter als der Liederkranz Eberhardzell. Wir können nicht sicher sagen, ob Kinder und Jugendliche bleiben, aber wir haben eine positive Umgebung, Konzert-/Festbesucher und das wirkt sich sehr positiv für den Verein aus.

VCJ: Welche Literatur spricht Kinder und Jugendliche besonders an?
Birgit: Die Literatur suche ich immer mit meinen Sängern aus. Wichtig ist, dass Performance und Bewegung mit dabei ist.
VCJ: Wie funktioniert bei Dir der Übergang in weiterführende Chöre?
Birgit: Die Sänger vom Kinder- und Jugendchor gehen nahtlos zu den Mädels von Le Crescentis. Danach ist der Altersunterschied aber zu groß. Le Crescentis wächst immer mehr zu einem Erwachsenenchor, wo Jugendliche miteinsteigen.
VCJ: Bereust Du Dein Engagement in der Kinder- und Jugendarbeit?
Birgit: Niemals. Würde es heute genauso wieder machen. Vielleicht ein paar Kleinigkeiten würde ich anders anpacken, aber habe bisher keine Stunde bereut, die ich investiert habe. Immer leicht war es nicht, aber es hat sich gelohnt sich einzusetzen und immer weiterzugehen.
Für mich ist Pressearbeit sehr wichtig. Ganz nach dem Motto: „Tue Gutes und vor allem rede dar-über!“ Für Chöre ist eine breite Öffentlichkeit wichtiger denn je.
VCJ: Vielen Dank für das Interview Birgit und weiterhin viel Spaß mit der Chorarbeit und Deinen Chören.

Das Gespräch führte Andreas Mayer

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Johannes Pfeffer, 3. Jun 2015, Jugendchöre, Kinderchöre, Oberschwäbischer Chorverband, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.

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