Aktuelles Editorial SINGEN, Ausgabe 7-2014
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
wie gut kennen Sie die „andere Seite“?
Keine Angst, es geht nicht um Nahtod-Erfahrungen in diesem Editorial, ganz im Gegenteil!
Mit der „anderen Seite“ meine ich die höchst lebendige und boomende Chorszene in unserem Land, die allerdings meist nicht verbandlich organisiert ist.
Letzte Woche fand in Berlin eine Sitzung der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Landesverbände im Deutschen Chorverband statt. 35 Personen kamen und wurden mit wichtigen Informationen für die tägliche Arbeit versorgt. Aber auch die Zukunft der Verbände war ein Thema.
Im Tagesordnungspunkt „Marktanalyse“ stellte uns Moritz Puschke, einer der zwei Geschäftsführer des DCV, kurz, prägnant und ohne großes Pathos die Einschätzung des DCV-Teams zum Thema „Markt des Singens“ vor. Zwei Tage später, zurück in unserer Geschäftsstelle, sprach unser Grafiker Sigi Bütefisch, der gerne und viel singt, im Zusammenhang mit Marketingaktionen des SCV von der „anderen Seite“, die man dringend erreichen müsse. Auf meine Frage, was er damit meine, sagte er: „Die, die nicht beim SCV organisiert sind. Da gibt es viele.“ Das konnte ich nur bestätigen, auch nach dem, was ich in Berlin gehört hatte.
1. These von Moritz Puschke: „Singen boomt“. Das „Uncoole“ ist verschwunden, Singen erlebt einen bemerkenswerten Imagewechsel. Die neue Chorszene kann man mit den Schlagworten Chorwechsel, Hobbywechsel, Konzentration auf musikalische Arbeit und Mobilität charakterisieren. Keine guten Grundlagen für Chorarbeit im traditionellen Sinne.
2. Beobachtung: Die Chorszene, wie wir sie kennen, und die Chorarbeit, wie sie sehr oft praktiziert wird, stirbt. Lediglich im Kinder und Jugendchorbereich kann ein Zuwachs von 2 bis 3 % beobachtet werden. Dies ist sicherlich auf Elternarbeit und die Initiativen in Kitas und Grundschulen zurückzuführen, fängt aber die anderen Verluste nicht auf.
3. Feststellung: Die freie Chorszene boomt v.a. im Jazz- und Popbereich. Diese Chorszene hat ihre eigenen Netzwerke entwickelt und wir müssen uns fragen: Gehen wir mit unseren Systemen, Strukturen, Satzungen, Angeboten … auf den Boom ein? Wo finden z.B. Vocal-Bands eine Heimat bei uns?
An dieser Stelle muss ich den SCV ausdrücklich loben. Seine Satzung macht es möglich, dass auch solche Ensembles Mitglied werden. Und das Angebot wird genutzt, allerdings noch nicht so, wie es wünschenswert wäre. Dazu ist der SCV vielleicht momentan zu wenig der musikalische Fachverband, den sich die „andere“ Seite als Partner wünscht. Aber er ist auf einem guten Weg, das zeigen z.B. die Ergebnisse der Klausursitzung des Musikbeirats, von der Holger Frank Heimsch in dieser Ausgabe berichtet. Sicherlich ein ganz entscheidender Grund ist, dass der SCV und seine Angebote auf der „anderen Seite“ zu wenig bekannt sind. Um das zu ändern, brauchen wir Sie vor Ort. Sie sind sehr nahe an der Chorszene insgesamt. Und ich bin sicher, Sie besuchen auch das eine oder andere Konzert der „anderen Seite“. Es wäre schön, wenn Sie mit der Netzwerkarbeit beginnen. Akzeptanz und Anerkennung der Leistungen sind hier die besten Türöffner, Kooperationen mit den Chören, Einladungen zu Konzerten hervorragende Wege, sich kennen und schätzen zu lernen. Der Verband kann Strukturen schaffen, die Emotionen, die Begeisterung über das gemeinsame Singen, das kann nur durch und mit den Chören selbst passieren.
Ich würde mich auf viel Miteinander in den kommenden Jahren freuen.
Ihre
Monika Brocks
Geschäftsführerin des SCV
Archivnutzer_SingenundStimme_Blog, 17. Jul 2014, Chorgattung, sonstige Chöre, Themen, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.