Kindgerechtes Singen soll Schule machen – ChorVision 2009 Marktoberdorf
Zur ChorVision 2009 der Deutschen Chorjugend trafen sich vom 24. bis 26. Juli in der
Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf rund 250 Teilnehmer/innen und knapp
200 singende Kinder und Jugendliche. Der Fachkongress für Verantwortliche in der
Chorarbeit mit Kindern und Jugendlichen stand unter dem Motto „Bildungskompass:
Klasse Chor!“ und wurde umrahmt von einer musikalischen Begegnung von Chorklassen.
Aus ganz Deutschland waren Chorleiter/innen, Chorvorsitzenden, aber auch Lehrer/innen ins
Allgäu gereist, um sich intensiv mit dem Thema „Singen in der Schule“ zu beschäftigen.
Vorgestellt wurden zahlreiche Modelle von Chorarbeit in der Schule. Beispiele aus dem
ganzen Bundesgebiet haben gezeigt, wie das Singen in den Unterricht und in unterschiedliche
Schulformen integriert werden kann. Bei den Kongress-Teilnehmer/innen, aber
auch bei den Teilnehmer/innen an einer Podiumsdiskussion wurde der Ruf nach Qualitätsstandards
für das altersgerechte Singen mit Kindern und Jugendlichen laut.
Die beteiligten Verbandsvertreter (Deutscher Musikrat, Verband Deutscher Schulmusiker,
Deutscher Chorverband, Deutsche Chorjugend) sowie Vertreter der Wissenschaft und der
Kultusministerkonferenz wollen ihre Anstregungen verstärken, um kindgerechtes Singen
an den Schulen und Mindeststandards hierfür zu etablieren.
Der Fachkongress begann am 24. Juli mit Praxis-Workshops zur musikalischen Wahrnehmung
und zur Kinderstimmbildung. In seiner Begrüßung nahm Hermann Olberding,
Vorsitzender der Deutschen Chorjugend, die Teilnehmer/innen in ihrer Rolle als Multiplikatoren
in die Pflicht. Er dankte den Schirmherren der ChorVision 2009, dem Kulturstaatsminister,
Bernd Neumann, und dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Henry Tesch,
und erinnerte daran, dass diese ihre Bereitschaft zur Unterstützung mit Erwartungen an die
Veranstaltung verknüpft hätten. Es seien gemeinsame Anstrengungen in der schulischen
und außerschulischen Arbeit für das Singen mit Kindern und Jugendlichen erforderlich. Der
Kongress solle als Katalysator wirken, um neue und vorhandene Angebote qualitativ
fortzuentwickeln und die unterschiedlichen Partner zu Kooperationen aufzufordern.
Als besonderes Beispiel für ein Kooperationsmodell zwischen Schulen und Vereinen wurde
das Chormentoren-Programm aus Baden-Württemberg vorgestellt. Elisabeth Tull, Referatsleiterin
am Landesinstitut für Schulmusik des Landes Baden-Württemberg, erläuterte die
Besonderheiten der Chormentoren-Ausbildung, die vom Landesministerium mitfinanziert
wird. Rund 3000 Chormentoren wurden bereits ausgebildet und stehen mit ihrem Wissen
den Chorvereinen zur Verfügung.
Um die Qualität von Kooperationen zwischen Schule und außerschulischen Partnern ging
es im Vortrag von Thomas Busch, Programmleiter des Themenateliers „Kulturelle Bildung an
Ganztagsschulen“ bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Er skizzierte eine sozialraumorientierte
Bildungslandschaft, in der unterschiedlichste Akteure ihre berechtigten
Interessen haben. Durch eine Analyse der Stärken und Schwächen sowie die Verständigung
auf einen Qualitätsrahmen kann für die Zielgruppe – die Kinder und Jugendlichen – eine
bestmögliche Bildung ermöglicht werden.
Am zweiten Tag der ChorVision 2009 wurden zahlreiche Modelle des Singens mit Kindern
und Jugendlichen in der Schule präsentiert. Die Palette der Singmodelle reichte vom
aufbauenden Musikunterricht in der Grundschule („Prima Canta“, Frankfurt/Main) über den
vokalorientierten Musikunterricht in der Sekundarstufe (Eppelheimer Singklassen) bis hin zu
projektorientierten Sing-Events („Klasse, wir singen“, Braunschweig). Prof. Dr. Andreas Mohr
vom Institut für Musik an der Fachhochschule Osnabrück forderte gar einen von der Stimme
her konzipierten Musikunterricht, der ganz auf Instrumente verzichtet. In vielen Modellen
stand die Aus- und Fortbildung der Lehrer/innen im Mittelpunkt, die so wieder befähigt
werden sollen, um mit den Schülern altersgerecht zu singen.
Eine abschließende Podiumsdiskussion legte den Fokus auf die aktuellen und zukünftigen
Entwicklungen des Singens an Schulen. Der Moderatorin Marion Glück-Levi vom
Bayerischen Rundfunk gelang es, den Podiumsteilnehmern interessante Statements zu
entlocken. Hartmut Doppler, Vizepräsident des Deutschen Chorverbandes, verwies darauf,
dass das Singen mit Kindern und Jugendlichen wieder Konjunktur habe. Chorverbände und
–vereine stünden als kompetente Kooperationspartner für die Schulen zur Verfügung.
Prof. Dr. Ortwin Nimczik, Bundesvorsitzender des Verbands Deutscher Schulmusiker,
charakterisierte viele neue musikpädagogische Aktivitäten im Rahmen der Hochschulausbildung
als „Reparaturbetrieb“ und forderte grundsätzliche Veränderungen der Basisausbildung.
Er regte eine gezielte Ausbildung für Vokalklassen an und betonte, dass die
Zusammenarbeit der Verbände von entscheidender Wichtigkeit sei, um die Qualität sicherzustellen.
Für 2010 lud er die Chorjugend zur Beteiligung an der Bundesmusikschulwoche in
Frankfurt ein und sagte darüber hinaus weitere Gespräche zu.
Auch Prof. Robert Göstl, der an der Hochschule für Musik und Tanz Köln den Studiengang
„Singen mit Kindern“ installiert hat, sagt: „Jetzt werden Lehrer ausgebildet, die selbst ohne
Singen aufgewachsen sind.“ Mit Kooperationen sei viel zu erreichen. So könnten Spezialisten
für Gesang aus dem außerschulischen Bereich im „Teamteaching“ den Lehrern zur
Seite stehen. Für den Primarschulbereich riet Prof. Göstl, nur noch Lehramtsstudierende mit
Singqualitäten zuzulassen.
Der Vizepräsident des Deutschen Musikrates, Prof. Dr. Hans Bäßler, unterstrich, dass
„geordnete Rahmenbedingungen“ zu einer Verbesserung im Bereich des Singens mit
Kindern führen würden. Bäßler, der zugleich Leiter des Master-Studiengangs Schulmusik an
der Hochschule für Musik und Theater Hannover ist, sagte zu, die Erkenntnisse des
Kongresses bei der Neustrukturierung des Schulmusik-Studiums einfließen zu lassen.
Vor dem Ende der ChorVision 2009 am 26. Juli mischten sich knapp 200 Kinder und Jugendliche
unter das Fachpublikum. Mehrere Chorklassen aus verschiedenen Bundesländern
trafen sich zum musikalischen Happening. Mit Grundschulkindern demonstrierte Prof. Robert
Göstl noch einmal anschaulich, wie spielerisch richtiges Singen mit Kindern funktionieren
kann. Eine didaktisch-methodische Glanzleistung, die den Teilnehmern an der ChorVision
als motivierendes Beispiel für eine qualitativ hochwertige Gesangsarbeit mit Kindern und
Jugendlichen mit auf den Heimweg gegeben wurde.
Im Rahmenprogramm der ChorVision 2009 konnten die Besucher/innen das Musical „Kiss
me, Kate“ in der Inszenierung des Musischen Gymnasiums Marktoberdorf, ein Festkonzert
anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf u. a.
mit dem Landes-Jugendjazzorchester Bayern sowie ein Abschlusskonzert mit dem
Südwestpfälzer Kinderchor erleben.
Die ChorVision 2009 fand in Kooperation mit dem Netzwerk Musik in Bayern und der LAG
Schulchor in Bayern statt und wurde unterstützt vom Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend.
Johannes Pfeffer, 14. Dez 2009, Fortbildungen, Kinderchöre, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.