Was tun, wenn der gesamte Vorstand zurücktreten will
Johannes Pfeffer, 3.03.2007, Singen und Stimme, Kommentare geschlossen
Frage:
Der gesamte Vorstand will zurücktreten. Was ist zu tun und was geschieht, wenn nichts getan wird?
Vorweg:
Zum Thema „Beendigung des Vorstandsamtes“ gibt es sehr viel zu sagen, sehr viel zu bedenken und sehr viel zu berücksichtigen. Es fängt bei der Frage an, wer wann seine Rücktrittserklärung wem gegenüber abzugeben hat und endet mit der Frage, wer wann das Ausscheiden des Vorstandes dem Registergericht mitteilen muss.
Dies alles soll hier unberücksichtigt bleiben. Die zentrale Frage ist: Was geschieht mit dem Verein, was mit dem Vorstand im Falle des Rücktritts.
Fast in allen Vereinen gibt es einen mehrgliedrigen, also aus mehreren Personen bestehenden Vorstand. Einer würde bereits genügen, § 26 BGB. Meist bestimmt die Satzung aber, dass es einem Ersten Vorsitzenden, seinen Stellvertreter (oder mehrere), den Schriftführer, den Kassier und – meist – weitere Vorstandsmitglieder gibt. Die Satzung muss festlegen, wie viele Vorstandsmitglieder den Verein nach außen vertreten und wer – sofern gewünscht – allein vertretungsberechtigt sein soll. Steht in der Satzung dazu nichts, sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinsam zur Vertretung und Geschäftsführung befugt und verpflichtet, eine sperrige, unerwünschte Regelung, die von vornherein vermieden werden sollte.
Tritt ein Vorstandsmitglied zurück, das nicht alleinvertretungsberechtigt oder gar nicht vertretungsberechtigt ist, kann, muss aber gar nichts veranlasst werden. Bei der nächsten Mitgliederversammlung wird eine Nachwahl stattfinden.
Scheidet ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied durch Rücktritt aus, gilt das gleiche, wenn der Verein noch mindestens ein alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied aufzuweisen hat. Allerdings ist nach § 67 Abs. 1 BGB das Ausscheiden der vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder von den übrigen vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern dem Vereinsregister mitzuteilen.
Da ein Vorstand sein Amt allerdings jederzeit und auch ohne Begründung niederlegen kann, was noch nicht einmal schriftlich erklärt werden muss und wodurch seine Organstellung im übrigen mit sofortiger Wirkung beendet wird, kann es auch passieren, dass alle Vorstandsmitglieder gleichzeitig ihr Amt niederlegen. Es gibt dann kein anderes Vorstandsmitglied, welches die Führung der Vereinsgeschäfte bis zur nächsten Mitgliederversammlung fortführen und/oder eine außerordentliche Mitgliederversammlung zur Neuwahl einberufen kann. Allerdings können in einem solchen Fall auch Vereinsmitglieder, die nicht Vorstand sind, im Vereinsinteresse eine Mitgliederversammlung einberufen, § 37 BGB.
Geschieht dies nicht oder ist es im Vereinsinteresse erforderlich, dass der Verein einen handlungsfähigen Vorstand erhält, muss das Amtsgericht – in dringenden Fällen – für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten einen Notvorstand (besser: gerichtlich bestellter Vorstand) bestellen. Das Gericht wird nur so viele Vorstandsmitglieder bestellen, wie dies zur Führung des Vereins und dessen rechtliche Vertretung nach außen erforderlich ist, § 26 Abs. 1 BGB). Das Gericht greift also in die Autonomie des Vereins nur in dem Umfang ein, in dem dies zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Vereins erforderlich ist.
Übrigens:
Der Vorstand ist nicht verhindert, wenn er trotz Erfordernis untätig bleibt oder nicht sachgerecht handelt. Dies und Meinungsverschiedenheiten innerhalb eines Vereins können nicht durch die Anrufung des Amtsgerichts erhoben oder gesteuert werden. Ebenso wenig wird das Amtsgericht einen kompletten, mehrgliedrigen Vorstand, der insgesamt zurückgetreten ist, durch einen gerichtlich bestellten Vorstand ersetzen. Ebenso wenig wird das Gericht tätig, wenn kein dringender Fall für den Verein vorliegt. Nur dann, wenn dringend notwendige Maßnahmen des Vereins mangels Vorstand nicht getroffen werden können und dem Verein Schaden droht, muss das Amtsgericht handeln. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass auch der ausgeschiedene Vorstand solange noch eine Mitgliederversammlung einberufen kann, wie er im Vereinsregister eingetragen ist. Und das kann lange dauern: Die Anmeldung des Ausscheidens von Vereinsmitgliedern folgt durch den Vorstand, § 67 Abs. 1 BGB.
Fazit:
„Wenn´s denn sein muss“: Die Welt geht für den Verein nicht unter, wenn der gesamte Vorstand zurücktritt. Allerdings sollte der zurücktretende Vorstand seinem Verein einen „letzten Liebesdienst“ erweisen und eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen und durchführen, um eine Vorstandsneuwahl zu ermöglich. Freilich: In Vereinen, in denen ein Vorstand geschlossen zurücktritt, ist es oft nicht einfach, einen neuen Vorstand zu finden. Was passiert dann?
In hoffentlich allen, jedenfalls aber den meisten Satzungen der Chorvereinigungen des SCV steht die Formulierung, dass ein Vorstand solange im Amt bleibt, bis der neue Vorstand gewählt ist. Der alte Vorstand muss dann seine Arbeit für den Verein solange fortsetzen, bis ein neuer Vorstand im Vereinsregister eingetragen ist; tut er dies nicht, kann er sich gegenüber dem Verein ggf. auch schadenersatzpflichtig machen. Darüber mehr im Artikel: Haftung des Vorstands
Zur Beantwortung von vereinsrechtlichen Fragen, Hilfestellungen bei Satzungsänderungen, Vorstandsbeschlüssen etc., beim Umgang mit dem Vereinsregister oder anderen, Sie bewegenden vereinsrechtlichen Fragen, wenden Sie sich gerne an Herrn Rechtsanwalt Christian Heieck, Kanzlei Eisenmann Wahle Birk, Bopserstraße 17, 70180 Stuttgart, Telefon 0711/2382422/23, Fax 2382555, e-Mail stuttgart@ewb-rechtsanwaelte.de.
Dieser Beitrag gibt die Auffassung, Kenntnisse und Erfahrungen des Autors aus vielen Jahren Vereinsrechtspraxis wieder. Wir bitten dennoch um Verständnis, wenn im Hinblick auf die Vielfalt der individuellen Fallgestaltungen, die im Vereinsrecht vorkommen, eine Haftung für die gegebenen Auskünfte im Hinblick auf konkrete Einzelfälle nicht übernommen werden kann.