Zwischen Liebeslust und Liebesleid – Wandelkonzert mit Musikern der Extraklasse
Die Corona-Maßnahmen haben den Kulturbetrieb hart getroffen. Doch es entstehen auch reizvolle und außergewöhnliche Formate. „Wandel.Kammer.Konzert“ des Chorverbandes Otto Elben ist so eins. In der weitläufigen Parkanlage des Gültsteiner KVJS-Tagungszentrums gibt es an fünf Spielorten kurze Konzerte.
So zieht man in einzelnen Gruppen von Bühne zu Bühne. Ein vom Chorverband abgestellter Guide gibt die Richtung vor. Zum international preisgekrönten Duo Divites gehören die Violinisten Marta Danilkovich und Vladimir Bodunov. Beide spielten schon in der legendären New Yorker Carnegie Hall und im Mozarteum in Salzburg. Das Frankfurter Duo zündet mit dem „Frühling“ aus Astor Piazollas Tango-Suite „The Four Seasons of Buenos Aires“ ein funkensprühendes, dynamisches und expressives Rhythmusfeuerwerk. Das Leben pulsiert, die Lust erwacht, die Luft vibriert vor Spannung, und dennoch bleibt Zeit für verträumte Momente. Piazolla hat sich hörbar von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ anregen lassen. Was die Brücke zu einem anderen großen Komponisten baut: Mit Johann Sebastian Bachs berühmter „Toccata und Fuge in d-Moll“ schlagen die Künstler energische vehemente Töne an. Die effektvolle Virtuosität dieses Gefühlssturms ist wie geschaffen fürs Geigenspiel, obgleich das Werk für die Orgel komponiert wurde.
Um die Liebe – und nichts anderes – dreht sich alles in den italienischen Canzoni und neapolitanischen Lieder, die der Trossinger Akkordeonist Matthias Matzke und die Sopranistin Sarah Behrendt anreichen. Mit „Caro mio ben“ und dem mehr als reizvollen Duo verzehrt man sich voll schmerzlicher Sehnsucht nach dem Liebsten, verfällt mit „Dolente immagine“ einer bittersüßen Wehmut oder gibt sich in Francesco Paolo Tostis „Marechiare“ einem leidenschaftlichen Schwärmen hin. Der warme, strahlende Sopran von Sarah Behrendt lässt viele Facetten der Liebe sacht schimmern und und kraftvoll leuchten. Ob überschwänglich und heiter, on innig und zartfühlend, ob lustvoll oder sentimental.
Bei Schweizer Tenor Raphael Wittmer und dem schwedischen Gitarristen Simon Linne herrscht frohgemute Aufbruchstimmung. In einer recht ungewöhnlichen Besetzung entspinnt sich das Seelendrama von Franz Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Das Duo widmet sich den ersten sieben der insgesamt 20 Liedern. Das filigrane, empfindsame Gitarrenspiel Linnes erweist sich als Glücksgriff, unterstreicht es doch die innere Zerbrechlichkeit des hoffnungslos verliebten Müllersburschen. Derweil Raphael Wittmer mit seinem ausdrucksstarken Tenor die Gestimmtheiten des romantischen Subjekts auslotet: den grenzenlosen Freiheitsdrang, die rastlose Suche, eine himmelhoch jauchzende Glückseligkeit und ungezügelte Hingabe. Eine Geschichte über die Verführung durch Eros, Natur und Tod.
Das Vokalensemble Cantores mundi gießt mit Ralph Vaughan Williams Bearbeitung des Volksliedes „Greensleeves“ für siebenstimmigen Chor, ein melancholisches Klagen in eine sublime, berückend schöne Klangform. Anrührend und zärtlich sind die Erinnerungen des amerikanisch-jüdischen Komponisten Alexander Olshanetzky an seine Geburtsstadt Belz. Dank Sängerin Maria Tusak wird man in „Mayn shtetele Belz“ von dieser Erinnerung sanft liebkost. Einen genussvoll-galanten Reigen tischt das Vokalensemble mit den Renaissance-Klängen von „A round of three country dances in one“ auf.
Derweil packt das Holzgerlinger Harmonika-Ensemble Samba Negra eine bunte Mischung mit viel Flair, Charme und Esprit arrangierte Unterhaltungsmusik aus. Ob dies nun die melodische Rhythmuswürze eines Sambas, der swingende Latin-Groove eines Mambos, die chansoneske Note einer Serenade ist oder pfiffige, fetzige Bearbeitungen bekannter Popsongs.
Eine rundum gelungene Veranstaltung, die nach einer Wiederholung verlangt. So nicht nur der Tenor etlicher Besucher.
Rüdiger Schwarz, GB
Bild Matthias Matzke und Sarah Behrendt privat
Isabelle Arnold, 10. Sep 2020, Chorgattung, Chorverband Otto Elben, Nachberichte, Kommentare per Feed RSS 2.0,Kommentare geschlossen.